Arteriosklerose und Parodontitis – wenn der Mund krank macht
Im Volksmund “verkalken” die Adern. In der Medizin spricht man von Arteriosklerose, einer chronischen Entzündung der Arterien. Werden die Schlagadern, die Gewebe, Muskeln und Organe mit Blut versorgen, langfristig beeinträchtigt, kann die gesamte Blutversorgung des Körpers aus der Balance geraten.
Ursache der Gefäßveränderungen sind Fett- und Kalkablagerungen in den Arterien, sogenannte Plaques. Sie lagern sich an den Gefäßwänden ab, machen sie starrer und dicker und verengen die innere Öffnung. Das Blut kann nicht länger ungehindert durch die Arterien fließen. Durchblutungsstörungen stellen sich ein. Schlimmstenfalls entsteht sogar ein Blutstau. Die Blutplättchen bilden einen Pfropf, einen Thrombus, der einen Infarkt (Gefäßverschluss) auslösen kann. Treffen kann es alle Arterien. Am gefährlichsten aber entpuppt sich Arteriosklerose am Herzen und an den Hirnschlagadern. Nicht umsonst gilt sie weltweit als Hauptursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzschwäche, Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Wenn verkalkte Gefäße ausknocken
Obwohl die periphere Verschlusskrankheit ihren Höhepunkt oft erst im Alter erreicht, verursacht sie dem Arbeitgeber ernstzunehmende finanzielle Einbußen. 1991 berichtete eine Studie von insgesamt 10.005 Arbeitsunfähigkeitsfällen bei Männern und 3.465 bei Frauen. Schwerwiegender als die Zahl der Arbeitsausfälle war aber die Ausfalldauer. Im Schnitt lag die Arbeitsunfähigkeit bei Männern bei 59 Tagen, bei Frauen waren es rund 39 Tage.
Arteriosklerose und ihre Risikoboten
Die Gefäßverkalkung ist nicht auf einen einzigen Risikofaktor beschränkt. Ihre Auslöser sind vielfältig. Zur Vorsicht mahnen Experten beispielsweise bei Bluthochdruck, Diabetes mellitus und erhöhten Blutfettwerten, speziell bei erhöhtem Cholesterinspiegel. Grund zur Besorgnis besteht allerdings auch bei genetischen Veranlagungen, fortschreitendem Alter und Rauchen. Die Vorboten halten sich bei der Gefäßerkrankung allerdings in Grenzen. Lange Zeit treten keine unangenehmen Begleiterscheinungen auf, sodass Mediziner Arteriosklerose oft erst im fortgeschrittenem Stadium entdecken.
Parodontitis und Arteriosklerose – ein gefährliches Verhängnis
Diabetes mellitus, Nikotin und Genetik sind aber nicht die einzigen Risikofaktoren. Experten vermuten auch einen direkten Zusammenhang zwischen Parodontitis und Arteriosklerose. Eine US-amerikanische Studie erhärtet den Verdacht.
Forscher der Columbia University in New York begleiteten 420 Parodontitis-Patienten über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg. In regelmäßigen Abständen entnahmen sie den Probanden Proben aus den chronisch entzündeten Zahnfleischtaschen und untersuchten sie auf Parodontitiserreger. Zugleich überprüften sie die Halsschlagader der Patienten per Ultraschall, um Veränderungen der Blutgefäße und damit das Ausmaß der Arteriosklerose bestmöglich nachvollziehen zu können.
Die Befunde waren unmissverständlich: Bei Probanden, deren Parodontitis in den vergangenen drei Jahren erfolgreich behandelt wurde, war die Halsschlagader deutlich weniger verengt als bei Probanden, die weiterhin über parodontale Symptome wie Zahnfleischbluten, Rötungen und Schwellungen klagten. Bis zu 0,1 Millimeter weniger betrug die Gefäßwandverengung bei behandelten Studienteilnehmern. So berichten die amerikanischen Forscher von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Gefäß- und Zahnfleischerkrankung. Wenn sich die Parodontitis nur geringfügig verbessert oder verschlechtert, zeichnen sich die Veränderungen bereits in der Gefäßwandverengung ab.
Aktuell befasst sich ein Forscherteam an der Orebro University in Schweden mit dem Verhältnis von Mund- und Gefäßgesundheit. Im Mittelpunkt der Studie steht eine künstliche Hauptschlagader (Aorta), deren Zellwand die Wissenschaftler mit dem aggressiven Parodontitis Keim Porphyromonas gingivalis infiziert haben. Das Resultat: Der orale Krankheitserreger kann die glatte Oberfläche der Muskelzellen schädigen und Entzündungen in der Aorta auslösen – ein weiterer Beweis für die Verbindung zwischen Mund- und Gefäßzustand.
Die Gefahr aus dem Mund
Wird die Parodontitis nicht frühzeitig erkannt und therapiert, kann es nicht nur zum Zahnverlust kommen. Die infektiösen Bakterien können vom Zahnfleisch in den Blutkreislauf übertreten und sich an anderen Körperstellen absetzen. Nicht selten trifft es die Arterien. Die oralen Erreger führen chronische Entzündungen herbei, die Folgeerscheinungen wie Gefäßverkalkungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach sich ziehen können.