Korrelationen zwischen Parodontitis und Herz-Kreislauferkrankungen
Allein in Deutschland gelten Herz- Kreislauferkrankungen weiterhin als führende Todesursache. Rund 40 Prozent aller Sterbefälle gehen auf kardiovaskuläre Leiden zurück. Zu den größten Risikofaktoren gehören aber nicht mehr nur Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder ungesunde Lebensweisen, gezeichnet von Nikotin, Alkohol oder Adipositas. Jüngste Untersuchungsergebnisse identifizieren die Parodontose, die bakterielle Entzündung des Zahnbetts, als weitere ernstzunehmende Gefahrenquelle, die sowohl Krankheitsbilder wie Herzinfarkt und Schlaganfall verursachen, als auch deren Verlauf negativ beeinflussen kann. Aktuelle Studien gehen bei Parodontose-Patienten von einer bis zu 1,7-fach erhöhten Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Dabei ist der Risikofaktor bei parodontalen Krankheiten häufig sogar gleich auf mit dem von typischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, krankhaftem Übergewicht und überdurchschnittlich hohen Blutfettwerten.
Was ist eine Parodontitis?
Eine Parodontitis, auch Parodontose genannt, bezeichnet eine durch bakterielle Zahnbeläge ausgelöste Entzündung des Zahnfleisches. Bleibt die Entzündung unbehandelt, kann sie den Zahnhalteapparat langfristig zerstören und zum Zahnverlust führen. Im Anfangsstadium nimmt der Patient kaum Beschwerden wahr. Schreitet die Entzündung jedoch weiter voran, bildet sich das Zahnfleisch zurück, legt die Zahnhälse frei und lässt die Zähne länger wirken. Weitere Symptome sind schmerzempfindliche Zähne und Zahnfleischbluten. Die Auslöser einer Parodontose sind vielfältig. Häufig geht die Erkrankung auf eine mangelnde Mund- und Zahnhygiene, ein angeschlagenes Immunsystem, Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus oder einen übermäßigen Nikotingenuss zurück. Bei der Behandlung beseitigt der Mediziner das entzündete Gewebe, reinigt den Mundraum, desinfiziert die Zahnfleischtaschen und ebnet gegebenenfalls die Zahnoberfläche. Bei hartnäckigen Formen empfiehlt sich eine Antibiotikatherapie.
Parodontose und Herz- Kreislauferkrankungen – chronische Entzündungen
In der Regel beschränkt sich die Parodontose lokal auf den Mundraum. Nicht selten aber strahlt sie aus und zieht schwerwiegende Komplikationen nach sich. So wie die bakteriell verursachte Erkrankung chronische Entzündungen im Mundraum bewirkt, tut sie es auch in anderen Körperregionen. Entzündungsfördernde Botenstoffe aus vertieften Zahnfleischtaschen (Porphyromonas gingivalis), eine typische Begleiterscheinung der chronischen unbehandelten Parodontose, können über die Blutlaufbahn in andere Areale vordringen und sich schlimmstenfalls im ganzen Körper einnisten. Eine sogenannte Bakteriämie tritt ein. Besonders aggressive Entzündungsherde können sich direkt Zugang zu den Gefäßinnenwänden des Körpers verschaffen, chronische Entzündungen hervorrufen und sie nachhaltig verändern. Sie ebenen den Weg für arterielle Verschlusskrankheiten wie Schlaganfall oder Herzinfarkt, zu deren Hauptursachen entzündliche Veränderungen der Gefäßinnenwände zählen. Die oralen Bakterien lösen eine Entzündungsreaktion hervor, die Gefäße schwellen an und der Blutstrom verlangsamt sich. Weniger Sauerstoff gelangt in die Gefäße, das Infarktrisiko nimmt zu.
Parodontose und Trombozyten – Verklumpungsgefahr
Aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen nach begünstigen Porphyromonas gingivalis ebenfalls das Verklumpen der Trombozyten oder Blutplättchen, die kleinsten Zellen des Blutes. Sie sind für die Blutstillung, Blutgerinnung und Bekämpfung von Blutgerinnseln zuständig. Sobald es im Körper zu einer Gefäßverletzung kommt, kommen die Trombozyten zum Einsatz. Um das Gefäßleck vollständig auszugleichen und damit die Blutung zu stoppen, tun sich die Blutplättchen zusammen und verkleben die Läsion. Erhöhen Porphyromonas gingivalis jedoch die Verklumpung, können Trombozyten lebenswichtige Arterien verstopfen, einen Blutstau auslösen und schlimmstenfalls zum Tod führen.
Paradontose und atheromatöse Plaques
Neben chronischen Entzündungen und erhöhter Verklumpungsgefahr bei Trombozyten sollen orale Bakterien auch die Bildung von atheromatösen Plaques ankurbeln, krankhafte Einlagerung von Fetten, Nekrose und Zelldedritus in die Gefäßwände. Die Atheromas nabeln sich von der Wandschicht der Arterie ab und verursachen einen sogenannten Aero-Embolismus, der lebenswichtige Gefäße so sehr zusammenzieht, dass die Sauerstoffversorgung des jeweiligen Organs herabgesetzt wird. Der Patient kann einen Infarkt erleiden.
Parodontose und Herz-Kreislauferkrankungen – eine lange wissenschaftliche Tradition
Nicht selten wird der Zusammenhang zwischen Parodontose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Mythos abgetan. Wissenschaftliche Befunde sprechen jedoch für eine Korrelation. Bereits 1989 versuchte eine finnische Arbeitsgruppe, paradontale und kardiovaskuläre Erkrankungen in Verbindung zu bringen. Die Beobachtungen: Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt oder Schlaganfall fiel der orale Gesundheitszustand merklich schlechter aus als bei entsprechenden Kontrollgruppen. Eine ähnliche Studie bekräftigt die Tendenz. 1.147 Personen wurden über einen Zeitraum von 18 Jahren hinweg begleitet. Das Ergebnis ist eindeutig: Eine stark ausgeprägte Parodontopathie steigert das Risiko einer koronaren Herzkrankheit um den Faktor 1,5. Bei tödlichen Herzerkrankungen stiegt das Risiko auf 1,9 an, beim Schlaganfall sogar auf 2,8. Absolute Behauptungen lassen sich auf Basis dieser wissenschaftlichen Befunde allerdings nicht aufstellen. Welcher Zusammenhang tatsächlich zwischen Parodentalerkrankungen und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Störungen besteht, bedarf weiterer Untersuchungen. Aktuell führt die Universität Greifswald eine epidemiologische Studie in Vorpommern mit 7.000 Probanden zum oralem Gesundheitszustand und seinen Auswirkungen auf kardiovaskuläre Krankheiten durch.